Freitag, 4. September 2009

Beziehungskonstrukte: wenn der Mensch weiss, was ihn glücklich macht

Wenn man einen Menschen nicht braucht, weil man ihn liebt, sondern ihn liebt weil man ihn braucht, wäre die sogenannte Liebe mit Eigenwertkompensation oder Marktwertsteigerung treffender beschrieben. -Wieder einmal im Konjunktiv, weil die Mittel sich Ersteres glaubhaft zu machen, wo wahrhaftig Letzteres der Fall ist, unerschöpflich sind und daher für Betroffene die Differenzierung der beiden Fälle verunmöglicht wird, trotz ihres enormen Wertunterschieds.
Der Sinn einer partnerschaftlichen Beziehung verlagert sich unter dieser Voraussetzung von der angestrebten bedingungslosen Bejahung seines Gegenübers zu der Absicherung, nicht ohne Absprache verlassen zu werden. Das Konstrukt Liebe reiht sich mit dieser Reduktion nahtlos an die Institutionen, die das menschliche Sicherheitsbedürfnis befriedigen.

An einigen einfachen und, so glaube ich, pauschalisierbaren Beispielen lässt sich zeigen, dass diese Gedanken begründbar sind und nicht (nur -man muss schliesslich die freudsche Verneinung beachten ) dem Trotz entspringen:

Gemeinsam verbrachte Jahre erfüllen einen mit Stolz, als ob es sich um eine Leistung handle, statt mit Geborgenheit, die aus einem natürlichen Miteinander entsteht.

Man erwartet Überraschungen, zumindest von Zeit zu Zeit. Dass eine erwartete Überraschung in sich selbst zerfällt, ist die logische Konsequenz. Ihr emotionaler Effekt ist im besten Falle der einer erfüllten Erwartung, was oft gar nicht wahrgenommen wird, ansonsten können erwartete Überraschungen nur scheitern.

Der Wunsch, vom Partner als Mittelpunkt seines Lebens gesehen zu werden, kommt auf, was ebenfalls kontrovers wirkt, sobald man sich bewusst wird, dass dieser Wunsch auf Gegenseitigkeit beruht.

Besonders Frauen neigen dazu, sich jeden Wunsch von den Augen ablesen lassen zu wollen. Mit dieser Neigung werden Ansprüche an den Partner gestellt, die oft sogar die eigenen Kompetenzen überschreiten, da der Mensch (die Frau) selten Klarheit über seine Wünsche hat.

Kurz: Wo ICH war, soll ER werden, im aggressiveren Fall gar umgekehrt. (Sinngemäss auf beide Geschlechter anwendbar.)

Ich stosse mich an diesem Konstrukt hauptsächlich, weil es so engen Rahmenbedingungen unterworfen ist und im Praktischen überhaupt nicht mit unserer Idee der romantischen Liebe vereinbar ist.
Man kann das freudsche Extrem betrachten, dessen Analyse besagt, dass der Mensch durch libidinöse Bindungen an den anders geschlechtlichen Elternteil an zwei spezifische Partnertypen gebunden ist. Doch muss man nicht einmal Freuds Theorie für wahr nehmen, damit eine solche Einschränkung eintritt, denn die normativen Schranken, die wir der Partnerwahl und der Beziehung selbst auferlegen, führen etwa zum selben Effekt.

So weiss jeder Mensch für sich, wie der Partner und die Beziehung zu sein haben, damit er glücklich wird. (Dies ist schliesslich das eigentliche Ziel.) Man hat ein genaues Bild davon, wie es sein sollte, hat konkrete Vorstellung darüber, wer der passende Partner ist, man stellt zahlreiche Erwartungen an Person und Situation, von denen man nicht einmal bemerkt, dass es welche sind.

Doch seit wann weiss der Mensch so genau, was ihn glücklich macht?
Daher meine Zweifel über die Ehrlichkeit der Institution Beziehung und zugleich auch über deren Sinn.
Wie kann (das was) Liebe (sein sollte,) entstehen, wenn wir nicht offen sind für das wahrhaftige Wesen des Gegenübers, sondern sein Denken, sein Handeln und sein Fühlen solange in unsere Schablonen von Vorstellungen, Wünschen und Erwartungshaltungen pressen, bis vom Ursprung nichts mehr übrig bleibt.
Das Gravierendste aber ist, dass wir emotional daran haften und uns mit Eifersucht oder Angst beladen, wenn wir gedanklich die Grenzen der Erwartungen übertreten und mit Enttäuschung, Wut oder Aggression reagieren, wenn in der Tat unsere Illusionen zerstört werden.

Ich will natürlich die nahrhafte Seite, die des absoluten Glückgefühls, die ebenfalls Teil einer Beziehung ist, nicht ausser Acht lassen. Doch selbst diese Seite bekommt einen klebrig-bitteren Nachgeschmack, wenn man bedenkt, dass sie sich aus Momenten nährt, in denen man glaubt, man stehe im Mittelpunkt eines anderen Lebens.

Vielleicht ist es zukünftig besser als Nicht-Betroffene Beziehungskrisengespärche zu lassen, damit solche Ansichten vermieden werden können.

4 Kommentare:

  1. Eine Beziehung kann nur als eine Art Spiel funktionieren, indem zwei Partner miteinander Regeln vereinbaren, oder als eine Sprache, die man erlernt und miteinander spricht. Im Post sind sehr treffend Spielregeln oder Sprachregelungen erwähnt, die ein nicht gut spielbares Spiel oder eine defekte Sprache charakterisieren. Das zeigt sich schon daran, dass alle wissen, dass Beziehungen enden, sich aber gerne mit ihrem Liebsten oder ihrer Liebsten darüber austauschen, dass ihre Beziehung immerwährend sei. Und doch kann eine langfristige, stabile Beziehung in einem sehr pragmatischen Sinne viele Funktionen übernehmen (und zwar nicht notwenigerweise eine Liebesbeziehung): Jemand kennt mich, und ich muss mich nicht in ein neues Spiel einfügen und es erlernen, sondern kann das alte weiterspielen.

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  2. Ich glaube wir denken an dasselbe Gefühl, wenn ich von der bedingungslosen Bejahung spreche und du (sorry, bin jetzt so frei) vom alten Spiel, das weiter gespielt werden kann. Beides basiert auf der tiefgründigen Kenntnis des Gegenübers und umgekehrt versteht sich.
    Für diese Funktion ist eine Partnerschaft aber keine notwendige Voraussetzung, du schreibst selbst, dass diese sich auch in anderen Beziehungen zeigen kann. Ganz im Gegenteil ist dies eine Funktion, die sich erst nach Jahren des Kennens und Zusammenlebens einstellt und nicht ein Grund, warum eine Beziehung eingegangen wird und auch nicht der Ansporn, warum ausgeharrt wird, obwohl man nicht die gleiche Sprache spricht.
    Ich zweifle, ob es vollends möglich ist, die Spielregeln zu befolgen ohne in Versuchung zu geraten zu mogeln, damit man doch als Gewinner hervorgeht.. Oder zumindest kenne ich keine Person gut, die es könnte.
    Ich sehe in einer Beziehung vor allem eine sehr pragmatische Funktion: die Familienplanung. Dafür ist es sogar für mich einleuchtend, dass verpflichtende Spielregeln konstruiert werden müssen. Worin aber besteht ausserhalb dieser Absicht der Ansporn, sich an Spielregeln zu halten, die das Zusammenleben sichern, wenn nicht in der Angst vor dem Alleinsein, wenn doch die positiven Momente auch von der Beziehung völlig unabhängig gelebt werden könnten?

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  3. Ich glaube gefunden zu haben, was ich eigentlich sagen wollte:
    Geht es mit dem Beschluss eine Beziehung zu führen nicht in erster Linie darum, sich die Treue zu sichern? Und ist nicht gerade das Verlangen nach Treue der beste Ausruck dafür, was wir eigentlich wollen: Nämlich die volle Aufmerksamkeit eines anderen Menschen, seine ganze Zuneigung und das Gefühl, kein anderer Mensch könne einem selbst das Wasser reichen?
    Denn rein praktisch ist es möglich, dass von der Untreue des Partners nichts bemerkt wird, die Beziehung für einen genau dieselbe bleibt und dennoch verliert der Partner und die Beziehung an Wert, sobald die eigene Einzigartigkeit durch die Untreue verloren geht.

    Oder übersehe ich etwas?

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  4. (Jaja, duzen. Das ist/war total doof und tut mir Leid, dass es nicht geklärt ist - und ich hätte euch eine Erklärung. Aber duzen wir uns einfach, ich erkläre dann im Reallife mal.)
    Die Werte, die ich anspreche, stellen sich wohl tatsächlich erst später ein und sind ursprünglich selten die Motivation, eine Beziehung einzugehen. Aber ich denke nicht, dass es dann noch darum geht, zu gewinnen oder jemanden zu betrügen, weil man ja gerade will, dass andere die Spielregeln auch kennen. Natürlich geht es darum, dass man nicht allein sein will und dieses Zusammensein (auch die Familienplanung) effizient gestalten will, und das bedingt wohl Treue; aber nicht unbedingt im Sinne von Exklusivität. Aber solche Dinge wie offene Beziehungen und auch Treue verstehe ich psychologisch zu wenig - offenbar (so muss man aus Erfahrungen anderer schließen) führen sie zu Zerstörungen, die man kaum aushalten kann. Was man theoretisch als vernünftig ansehen würde, scheint für Menschen nicht zu funktionieren und sie hängen an solchen Beziehungskonstrukten.
    (Weiß nicht, ob du dieses Benn-Zitat gesehen hast:
    »Sich irren und seinem Innern weiter Glauben schenken müssen, das ist der Mensch … In sich allein bleiben, für seine Zerstörungen keinen verantwortlich machen und sich bei niemandem hinterlassen —«)

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