Mittwoch, 1. September 2010

maybebaby – oder: die Importance of Being Earnest

Maybebaby: Populär Englisch und ungeniert locker, alles was die Frau von heute braucht, um über ihre Umstände aufgeklärt zu werden. Nun ja, oder sagen wir besser Mädchen oder sogar maybe Baby? Das Zielpublikum ist klar: Nicht werdende Mütter, sondern werdende Frauen, Teenies - Sexualleben ausgezeichnet, Verhütung mangelhaft, Charakter durchgefallen.

Nein, dieser Beitrag handelt nicht von einer Übersexualisierung der Jugend, nicht von zu verteufelnder Frühreife und schon gar nicht von fehlender Aufklärung. Er handelt vom Mangel an Ernsthaftigkeit. Einen Schwangerschaftstest als trendigen Lifestyle für Teenies anzupreisen, ist doch, mir fehlen die Worte, um es anders zu sagen, schlicht wahnsinnig. Ich brauche hier kaum ausführlich die eigentliche Relevanz (un)gewollter Schwangerschaften aufzuzeigen, weder emotional noch sozial, damit ich berechtigt die Frage stellen kann: Wie schafft Frau es, ihren Körper und sich selbst so wenig ernst zu nehmen, dass sie sich in ungeniert lockerem Englisch fragen kann: Maybe baby? Ganz einfach: Was mit ihrem Körper ist, kann man ja wegmachen, etwas dagegen machen, alles gleich machen. Warum Ernst, wenn doch alle Dinge dem Dienst der Ästhetik unterworfen werden können.

Doch nicht nur der Name, sondern auch sein Verkaufsstandort karikiert unsere Zeit:

Keiner sieht hin, keiner hört zu, keiner sagt etwas.

Nur das Mädchen, hoffentlich ihr Freund und - maybe Baby.

Doch keiner Frau, die einen Schwangerschaftstest unter vollkommener Diskretion kaufen will, ist geholfen, wenn sie das tatsächlich kann. Obwohl die Wälfler Diagnostics AG davon überzeugt ist: Mit den hochwertigen Selbsttestern leisten wir einen wichtigen Beitrag zur Stärkung des Wohlbefindens und zur Verbesserung der Lebensqualität.

Die Hemmungen die bei einem üblichen Kauf überwunden werden müssen, sind zwar lästig, aber sinnvoll: Sie halten die Relevanz der Situation vor Augen, erinnern daran, dass nicht gespielt, sondern gelebt wird – ernsthaft. Hemmungen sind da, um überwunden und nicht umgangen zu werden.
Und wenn es schliesslich heisst: maybe Baby! Wie soll da eine werdende Frau und zugleich werdende Mutter den Mut aufbringen, die emotionale und soziale Tragweite einer ungewollten Schwangerschaft auszustehen (selbst wenn es nur darum geht, die Abtreibung zu beichten!), wenn sie nicht einmal einer erstaunten Apothekerin in die Augen zu blicken gelernt hat, da es von ihr nie gefordert wurde? Wenn jungen Frauen suggeriert wird, dass es sie nichts kostet aus sich und in sich und mit sich zu machen, was man will, wie soll eine junge Frau sich da selber noch ernst nehmen können? Ein Kinderspiel!
Ungewollte Schwangerschaften sind kein ästhetisches Manko, das hinter verschlossener Badezimmertüre behoben werden sollte, sondern eine ernsthafte Aufgabe. Leider aber sind keinerlei Hemmungen vorhanden, diese Aufgabe auf ein solch fragwürdiges Niveau zu bringen. Was meiner Ansicht nach daher rührt, dass wir es schon lange geschafft haben, die Frau in ihrer äusseren Erscheinung nicht mehr ernst bzw. aufrichtig zu nehmen, sondern einzig in den Dienst der kontrollierbaren Ästhetik stellen. Kinderleicht.